MEILENSTEINE DER COUNTRYMUSIC  

 

Der Unterschied zwischen Country und Western - ein (Er-)Klärungsversuch

Einerseits schmeißen wir Country und Western gerne mal in einen gemeinsamen Topf, sind vielfach sogar der Meinung, die beiden Begriffe stünden für dasselbe musikalische Genre, die Bedeutung sei identisch. Aber so ganz sicher sind wir uns nicht. Verbleibt die Frage, ob es einen wirklich konkreten Unterschied zwischen Country und Western gibt, und falls ja, welcher das ist. Ich versuche mal einen Klärungsversuch:
Selbstverständlich ist die US-amerikanische Musikszene gigantisch; Megastars aus Rock, Pop, Soul und Blues bis hin zum Hip-Hop und Rap beherrschen die weltweiten Charts. Tatsächlich aber gibt es auch dort eine riesige Musikszene, die sich mit traditioneller Musik beschäftigt, mit solcher deren Wurzeln bis in die Pionierzeiten zurückreichen. Tatsächlich ist der oftmals vereinheitlichende Begriff Country & Western komplett irreführend. Denn er suggeriert, es handele sich um ein einheitliches Genre. Dabei pochen die Künstler und Fans beider Bereiche vehement auf die deutlichen Unterschiede der Musikbereiche.
So wie der amerikanische Kontinent nicht lediglich besiedelt, sondern vielmehr erobert wurde, so verhielt es sich auch musikalisch, ausgehend von der Old-Time-Music der Auswanderer aus Europa. Und über den Zeitstrahl der Jahrzehnte entwickelten sich diverse Country-Sub-Genres, zu denen eben auch Western zählte. Western Music darf im weitesten Sinn als die westlich des Mississippi entstandene Volksmusik verstanden werden, die sich auf das Leben der Cowboys, Goldsucher, Bergleute, Holzfäller, Pelzjäger und weiteren bis hin zu den Siedlern bezog. Die Western Music entwickelte sich in den eben westlich gelegenen Bundesstaaten wie Kalifornien, Texas und Oklahoma. Es war die Story der Eroberung des Wilden Westens im 19. Jahrhundert. Die Westernmusik wurde zunächst als die Musik der amerikanischen Cowboys verstanden. Dabei gab es zunächst die echten Cowboys, später dann die sogenannten Singing Cowboys, aber auch Singing Cowgirls, die das Image für sich adaptierten und daraufhin die Radiostationen und Kinos eroberten. Dazu zählten Tex Ritter, Dale Evans, Jimmy Wakely, Dorothy Page oder Smiley Burnette. Ihren Höhepunkt hatte die Western Music während der 1930er und 1940er Jahre. Neben Gene Autry war einer ihrer prominentesten und beliebtesten Vertreter Roy Rogers, der uns die abenteuerliche Geschichte von Pecos Bill erzählt, dem "Baron Münchhausen" des Wilden Westens.

[There'll Never Be Another] Pecos Bill

Ein typisches Merkmal für die Country-Musik im Allgemeinen hingegen sind Texte, die sich mit den amerikanischen Lebensverhältnissen in sämtlichen Facetten inklusive Sehnsucht, Wehmut, dem American Way of Life und vielem mehr. Ein Unterschied zwischen Country und Western hinsichtlich der Texte bleibt dabei allerdings recht theoretisch. Schließlich bedeutet ein Text über das Leben der Cowboys nicht zwangsläufig, dass es sich automatisch und unabdingbar um Western handelt.
Klar wird damit ein Kuriosum, nämlich die Tatsache, dass es sich bei Western-Music überbegrifflich zwar um Country handelt, bei Country aber nicht automatisch um Western. Nur weil man sich einen Cowboyhut aufsetzt, spielte man noch lange nicht Western. Umso schwieriger wird eine klare Abgrenzung, zumal Musik immer auch einem Wandel unterliegt. Als Resultat bilden sich Sub-Genres als auch Verschmelzungen, wodurch die konkrete Zuordnung bisweilen kaum noch möglich und im Grunde vermutlich ein bißchen sinnlos ist. Auch innerhalb der Country-Music gibt es zahlreiche Abgrenzungen. So etwa zwischen dem traditionellen und dem sogenannten zeitgenössischen Country. Während beim traditionellen Country vornehmlich Saiteninstrumente wie Gitarre, Banjo, Mandoline und Fiddle, teils auch Akkordeon, Klavier und Mundharmonika zum Einsatz kommen, gesellten sich im moderneren Country als typische Instrumenten das Schlagzeug, die E-Gitarre und logischerweise auch der E-Bass hinzu.

Und schließlich war da ja auch noch der gute alte Rock’n’Roll, der ab etwa Mitte der 1950er Jahre erwachte und die Musiklandschaft eroberte. Im Umkehrschluss geriet Country mächtig unter Druck, verlor an Boden und musste sich etwas einfallen lassen. Selbstverständlich wollte man sich die Publikumsgunst weiterhin sichern, aber die schmolz beträchtlich. Hörerkompatibel wurde Country mit dem sogenannten Nashville Sound, bei dem die bis dato weitestgehend ungeschliffene Musik geglättet und deutlicher kommerzialisiert wurde. Der Sound wurde weicher, Streichinstrumente erklangen und Background-Chöre bereicherten das Klangbild, klassische Country-Instrumente wurden allenfalls selten eingesetzt. Von Western-Romantik und Lagerfeuer-Stimmung war nicht mehr viel übrig geblieben. Vor allem in den 70ern und 80ern galt das Country-Western-Genre als praktisch ausgestorben. Es war die Zeit des Country-Pop, mit Stars wie Dolly Parton oder Kenny Rogers, Conway Twitty, George Jones, Tammy Wynette, Charlie Rich... oder auch die wunderbare Lynn Anderson.

Lynn Anderson - Rose Garden (1970) (Stereo / Lyrics)

Wie alle anderen Genres entwickelt Country sich immer weiter, wobei Westernmusik hingegen eher traditionell verhaftet bleibt. Gefühlt hat jeder seine eigene Vorstellung davon, was Country ist und was nicht, welche Stilmittel verwendet werden und welche Instrumente zum Einsatz kommen. Von den Zeiten der amerikanischen Einwanderer und Trecks bis zum heutigen Soft-Country, Modern Country und Country-Rock hat diese Musik derart viele, faszinierende Facetten gezeigt wie kaum ein anderes Genre. Der Unterschied zwischen Country und Western ist im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte immer weiter aufgeweicht worden, zumal man sich teils selbst nicht wirklich sicher war, worin der überhaupt besteht.

Das war er also, mein kleiner Ausflug in einen Teil der Country-Musik-Geschichte, zu der es natürlich noch viel, viel mehr zu erzählen gäbe, aber... in diesem Fall sollte es ja um den Versuch gehen, einen veralteten und mit vielen Klischees behafteten Begriff ein wenig aufzubrechen und die Unterschiede aufzuzeigen. Dennoch darf - natürlich - zum Abschluss der kleinen Zeitreise einer der größten Hits des Nashville Sound nicht fehlen.

KENNY ROGERS & DOLLY PARTON - ISLANDS IN THE STREAM - HQ Audio

 


Der "Tiger im Tank" erobert die Spitze der Country-Charts

Harlan Howard und Buck Owens waren in den frühen 1950er Jahren „Hungerkumpel“. Harlan war von Michigan nach Kalifornien gezogen, wo es eine aufkeimende Musikszene gab. Sein Plan war es, tagsüber in einer Fabrik zu arbeiten und nachts in der Musikszene aufzutreten. Er und Buck hingen zusammen mit Kumpels wie Bobby Bare und Wynn Stewart im Palomino Club in LA und im Blackboard in Bakersfield ab.
Harlan lebte mit Buck in einer kleinen Wohnung mit einem dreibeinigen Ersatzbett, daher die Bezeichnung „starvation buddies“, weil sie arm und hungrig waren. Harlan fand einen Ziegelstein, um das Bett zu stützen und auszugleichen. Von da an begann ihre lebenslange Freundschaft.
1964 waren die beiden mit einem Auto unterwegs, fünf lange Tage quer durch Texas. Buck fuhr, und Harlan saß ausgestreckt auf dem Rücksitz. Buck löcherte Harlan ständig mit dem Slogan „Put A Tiger In Your Tank“, dem Werbespruch für Esso-Tankstellen, den er unterwegs während ihres Roadtrips aufgeschnappt hatte. Buck hielt das für eine großartige Idee für einen Song. Harlan war eher unbeeindruckt.
Am Ende des fünften Tages, als sich die Reise dem Ende zuneigte, warf Harlan den Text von "Tiger By The Tail" zu Buck auf den Beifahrersitz und sagte: "Hier sind deine Lyrics." Etwa eine Woche später erhielt Harlan einen Anruf von Buck, der ihm mitteilte, dass er den Song aufnehmen wolle. Harlan versuchte, Buck zu überreden, das nicht zu tun. Er sagte, es sei ein Scherz und keine gute Idee. Er tat sein Bestes, um seinen Freund davon abzuhalten, den Song zu aufzunehmen, denn er dachte wirklich, dass dies dessen boomende Karriere ruinieren würde.
Doch kurze Zeit später rief Buck erneut an und sagte: "Hey Buddy, unser Song kommt demnächst raus!". Als das nächste Billboard Magazine erschien, kaufte Harlan sich sofort ein Exemplar und schaute nervös auf die untersten 10 Songs. „Tiger“ war nirgends unter den 90-100 Top-Songs zu finden. Er war beunruhigt. Sein Bauchgefühl hatte ihn nicht getäuscht. Sein Blick schweifte nach oben zu den Top 10. Und siehe da, da saß der süße kleine „Tiger By The Tail“ auf Platz 8 in der ersten Woche der Veröffentlichung. Harlan lachte sich ins Fäustchen, während er Buck anrief. Er gab zu, dass er sich geirrt hatte, und Buck war Feuer und Flamme! Eine Woche später stand der Song auf Platz eins... für einen ganzen Monat, vom 20. Februar bis zum 20. März 1965.

Link: Buck Owens & His Buckaroos - "I've Got A Tiger By The Tail"

 

John Hiatt - Have a Little Faith In Me

Jahrelang war John Hiatt eine Kategorie für sich. Seine eigene Plattenfirma wusste nicht, wo sie ihn einordnen sollte. Zweifellos gehört er zum weiten Feld der Americana, aber würde man ihn auch als Country, Blues oder New Wave bezeichnen? Egal, wo man Hiatt einordnet, er hat während seiner gesamten Karriere bemerkenswerte Musik produziert.
John Hiatt war ein alkoholabhängiger Troubadour und Songwriter aus Nashville. Ursprünglich aus Indiana stammend, ging Hiatt 1972 im Alter von 18 Jahren nach Nashville, wo er als Songwriter für ein lokales Studio angestellt wurde und mit einigen Bands auftrat. Er schrieb einen Song für Three Dog Night, und andere Songs wurden von Willie Nelson, Freddy Fender und Willy DeVille gecovert.
Doch Erfolg blieb aus. Ein paar seiner Songs erreichten niedrige Chartpositionen, aber immer von anderen Künstlern. Er veröffentlichte Album für Album. Er trank weiter. Nichts funktionierte.
Dann, Mitte der 1980er Jahre, wurde Hiatt trocken. Endgültig. Aus eigenem Willen. Im Februar 1987 ging er ins Studio, um sein achtes Album aufzunehmen, "Bring the Family". Jim Keltner am Schlagzeug. Nick Lowe am Bass. Ry Cooder an der Gitarre. Jeder von ihnen war ein erstaunlicher, erfahrener Musiker auf seine Weise.
Das Geld war knapp, und die Zeit auch. Sie hatten nur 4 Tage im Studio. Obwohl die Songs sorgfältig ausgearbeitet und wunderschön geschrieben waren, mussten sie schnell aufgenommen werden. Nick Lowe war gerade erst aus dem Flugzeug von London nach Los Angeles gestiegen, als er direkt ins Studio gebracht wurde, um seinen Basspart aufzunehmen. Und dann war diese eine, besondere Song... Have a Little Faith in Me... der persönlichste unter allen.
Obwohl Hiatt den Text und die grundlegende Musik für Have a Little Faith in Me“ hatte, fiel es ihm unglaublich schwer, ein passendes Arrangement für die Band zu finden. Der Produzent John Chelew ermutigte Hiatt, sich ans Klavier zu setzen und den Song einmal durchzuspielen, damit jeder ihn frisch hören und Ideen beisteuern konnte. Ohne dass Hiatt es wusste, ließ Chelew das Band laufen, während er sang, und die endgültige Version auf dem Album "Bring the Family" ist diese aufgenommene Probe.
Der Song ist schlicht, aber aufrichtig und von Herzen kommend. Der Text ist nicht bahnbrechend, aber er spricht eine Wahrheit aus. Er singt zu uns. Er singt für uns.

Wenn die Straße dunkel wird
Und du kannst kaum sehen
Lass meine Liebe nur einen Funken werfen...
und hab ein wenig Vertrauen in mich.

1993 brachte Metro Goldwyn Mayer den Film „Benny & Joon“ heraus. Zu den Darstellern gehörten Mary Stuart Masterson, Julianne Moore, Aiden Quinn und ein gewisser Johnny Depp. Die romantische Komödie wurde mit einem fantastischen Soundtrack unterlegt, der mit „I'm Gonna Be (500 miles)“ von The Proclaimer begann und auch Joe Cockers Version des Blind Faith-Songs „Can't Find My Way Home“ und Hiatts „Have a Little Faith in Me“ enthielt. Als Filmmusikfan hörte ich ihn dort zum ersten Mal. Ich hatte Gänsehaut...

Wenn dein geheimes Herz
nicht so leicht sprechen kann
Komm her, Liebling
flüstere alles in mein Herz, fang an, ein wenig Vertrauen in mich zu haben.

Die Klarheit des Textes und das Arrangement lassen den Song so atmen, wie er sollte. "Bring the Family“ ist ein einzigartiges Album. Wir alle sprechen von sogenannten „Durchbruchsalben“, aber es war mehr als das. Hiatt hatte eine neue Ehe, er hatte die Plattenfirma gewechselt, seine Abhängigkeit überwunden und Kalifornien verlassen. Es war ein Aufbruch vom Alten zum Neuen, und das Album und dieser Song strahlen Zuversicht aus. Er wurde schon oft gecovert. Dolly Parton hat den Song mit dem schwedischen Elektronik-Duo Galantis neu interpretiert, Mandy Moore hat ihre Version 2003 als Single veröffentlicht, und sogar Dr. Teeth and the Electric Mayhem haben ihn mit den Muppets bearbeitet. Die Schönheit, Kraft und Poesie des Originals kann jedoch niemals übertroffen werden.

Link: Have A Little Faith In Me

 

Nanci Griffith, Bette Midler, Kathy Mattea et al - "From a Distance"

Der Text des Songs stammt von der Sängerin und Songschreiberin Julie Gold, die in New York Gelegenheitsjobs verrichtete, um über die Runden zu kommen, als sie von ihren Eltern in Philadelphia ein ganz besonderes Geschenk zum 30. Geburtstag erhielt: das Klavier, auf dem sie als Kind gespielt hatte. Die Männer, die ihr das Klavier lieferten, sagten ihr, dass es auf dem Weg zu ihr im Lastwagen ziemlich kalt geworden war und dass sie das Instrument einen Tag lang nicht spielen sollte, damit es sich an die Temperatur in ihrer Wohnung gewöhnen konnte. Gold wollte jedoch unbedingt damit spielen, aber um keinen Schaden anzurichten, widerstand sie dem Drang. Stattdessen „umarmte sie es und polierte es“. Am nächsten Tag setzte sie sich an das Klavier und schrieb den Song in etwa 2 Stunden. In einem Interview sagte sie: „Ich habe mir nur vorgenommen, einen anständigen Song über den Unterschied zwischen dem, wie die Dinge scheinen, und dem, wie sie sind, zu schreiben.“
Julie Gold schrieb dieses Lied im Winter 1985. Nanci Griffith nahm es 1987 auf. Dies war Golds erstes aufgenommenes Lied. Sie erzählte: „Meine Freundin Christine Lavin hörte es und schickte mein Demo des Songs an Nanci Griffith, die sich in den Song verliebte und beschloss, ihn aufzunehmen. Nachdem sie den Song dann veröffentlicht hatte, wurde es schnell zu einer Hymne in Irland und zu einem Favoriten für ihre Fans weltweit. Im Jahr 1990 nahm Bette Midler den Song auf, und er wurde zu einem Megahit. Viele 'From A Distance'-Cover kamen nach diesen beiden Versionen hinzu.
Zu ihrem Songwriting-Prozess erzählt Julie Gold: „Glücklicherweise passen Worte und Musik für mich normalerweise zusammen. Ich hatte schon ein paar Wochen lang mit dem Text und dem Konzept herumgespielt, aber als ich mich schließlich ans Klavier setzte, passierte alles irgendwie auf einmal. Ich kann nur zu Hause schreiben. Ich kann nur an einem Klavier schreiben. Ich kann nur allein schreiben, obwohl ich versuche, meine Gewohnheiten zu ändern. Für diesen Song habe ich teilweise ein ganzes Leben gebraucht, teilweise aber auch nur 2 Stunden. Ich liebe alle meine Lieder, und obwohl ich keine Kinder habe, könnte ich mir vorstellen, dass der Schreibprozess ähnlich wie eine Geburt abläuft. Lang, schmerzhaft, lohnend. Ich schätze, wenn man mehrere Kinder hat, kann man schon wissen oder vorhersagen, wer das „schlaue“ ist, wer das „sensible“, wer etwas in der Welt bewirken wird, usw. Ich liebe meine Lieder, weil ich mich an ihre Geburten erinnere. Ich hoffe, dass sie alle ein sinnvolles Leben haben. Mir ist klar, dass einige vielleicht weiter gehen als andere, tiefer ins Herz und Gedächtnis der Menschen. Mit 'From A Distance' ist es so, als hätte ich einen Nobelpreisträger oder so geboren. Ich habe einen Wal angelockt. Ich kann es immer noch nicht fassen und habe das Gefühl, dass ich einfach als Überbringer auserkoren wurde. Ich hoffe und bete, dass ich eine würdige Botschafter gewesen bin.“

Link zu Kathy Matteas Version von "From a Distance":

From A Distance

 

Seifenschaum und die große Liebe - Suds in the Bucket von Sara Evans

In diesem flotten Song erregt ein Mädchen im Teenageralter Aufsehen in ihrer Heimatstadt, als sie plötzlich mit ihrem Freund durchbrennt. Es geschieht so plötzlich, dass - als ihr Verschwinden von ihrem Dad bemerkt wird - selbst die Seifenschaumblasen in dem Eimer noch leise vor sich knistern, in dem sie ihre Wäsche wusch... die besagten "Suds in a Bucket". Geschrieben wurde der Song von Billy Montana und Tammy Wagoner, in Songwriter-Kreisen besser bekannt als „Jenai“. Billy Montana schrieb u.a. auch „More Than a Memory“ für Garth Brooks.
"Suds in Bucket" war ursprünglich als Antwort auf ein Pitch Sheet für einen Up-Tempo-Song für Lee Ann Womack gedacht. Also gingen Billy Montana und Jenai ins Studio, um einen schwungvollen, süßen, schnuckligen Song über junge, wilde Liebe zu schreiben, der jedem ein Lächeln ins Gesicht zaubern sollte. In einem Interview erzählt Billy Montana dazu: „Es gibt bestimmte Momente, in denen man mit einem Song fertig ist und sagt: 'Mission erfüllt'. Manchmal führt dich ein Song irgendwie. Er nimmt dich bei der Hand und bringt dich auf wundervoll gewundenen Pfaden an einen sonnigen Ort. Jenai und ich wollten also etwas Fröhliches schreiben, etwas Unbeschwertes, Lebenslustiges.
Bei Suds hatten wir schon einen großen Teil der Musik in unseren Köpfen, bevor der Text überhaupt fertig war... die Melodien und Harmonien kamen einfach zu uns, und als Textersatz haben wir zunächst einfach so 'da-da-da-da-da-da' gesungen. Als Grundkonzept hatten wir jedoch die Idee, etwas über ein junges Mädchen zu erzählen, das von zu Hause ausbüxt.
Und ich sagte auf einmal zu Jenai: „Hey Tammy... wie wäre es, wenn sie den seifenschaumgefüllten Eimer einfach stehen, und die Wäsche auf der Leine hängen lässt und abhaut?" Und Jenai stand der Mund offen, und sie sagte: 'Yeah, das gefällt mir! Weil es einfach eine originelle Art zu sein schien, zu sagen, dass sie ziemlich in Eile war."
Das, was viele Countryfans an diesem Song am meisten lieben, ist die blumige, bildhafte Sprache, darunter auch jene kleine, wunderschöne Zeile "Little pony-tail girl growed up to be a woman", die im Prinzip die gesamte Geschichte zusammenfasst... voller Wärme, Sympathie und fröhlichem Augenzwinkern gesungen von der wunderbaren Sara Evans, die diesen Song im Oktober 2004 an die Spitze der Country Bilboard Charts führte.

Sara Evans - Suds in the Bucket (Sara's Cut - Official Video)


 

Abschied von Kris Kristoffernson
1936 - 2024



"Freedom's just another word for nothing left to lose" -

"Sag die Wahrheit. Singe mit tiefster Leidenschaft. Arbeite stets mit einem Lachen auf den Lippen. Liebe mit ganzem Herzen. Denn das ist alles, was am Ende zählt."
Und genau das hat er getan, bis zuletzt... Kris Kristofferson, Ikone des amerikanischen Country-Folk. Seine Songs leben von melodischem Schwung und prägnanten Texten. Oft wurden sie von Stars interpretiert, bevor sie Kris Kristofferson selber herausbrachte. Am Samstag ist er im Alter von 88 Jahren in seinem Haus auf Maui im Bundesstaat Hawaii von uns gegangen.
Er gilt als bedeutender Singer-Songwriter. Im Falle von Kris Kristofferson würde man die Bezeichnung besser umdrehen. Der «Songwriter-Singer» hat mit seinen Liedern das Repertoire einer ganzen Generation von Künstlerinnen und Künstlern aus der Country-, Folk- oder Rock-Szene bereichert. Das führte allerdings dazu, dass er selbst als Sänger in den Schatten seiner Songs geriet, die andere auffälliger interpretierten; nicht unbedingt besser, aber mit mehr Pathos und Dramatik.
Beispielhaft zeigt sich das an seinen Klassikern. «Me and Bobby McGee» hat Kristofferson Ende der sechziger Jahre geschrieben, zur Hymne der Hippie-Generation aber wurde der Song dann durch die ekstatische Interpretation von Janis Joplin, deren Aufnahme vom Herbst 1970 datiert. Kristoffersons persönliche Version, die im gleichen Jahr erschien, ist eher von lakonischer Zurückhaltung und Melancholie getönt.
Oder "Sunday Morning Coming Down", dem Kris Kristofferson insofern seinen Durchbruch in der Country-Szene verdankte, als er damit seinem Entdecker und Förderer Johnny Cash zu einem Hit verhelfen konnte. Womit mochte der aufstrebende Songwriter den Country-Star beeindruckt haben? Schlichte Melodik und organische Form bilden in den Kristofferson-Liedern ein sicheres Fundament für jede Interpretation. Die Musik drängt nicht in den Vordergrund, sie bewährt sich als Begleiterin von Texten mit literarischem, oft lebensweisem poetischen Flair.
In «Sunday Mornin’ Comin’ Down» durchlebt der Sänger einen Augenblick der melancholischen Selbstreflexion: Er schlendert durch eine verlassene Strasse, wo ihn der Geruch eines Hühnerbratens an die Kindheit erinnert und er beginnt, über den Gehalt seines eigenen Lebens  nachzudenken. Ein simpler Duft, daraus erblühend eine ganze Spirale an Gedanken, Erinnerungen, Sehnsüchten... gefiltert durch das melancholische Nachsinnen über die schwierige momentane Lebenssituation... ein Klassiker war geboren...

Kris Kristofferson - Sunday Morning Coming Down [lyrics]

Als Songschreiber legendärer Kompositionen wie „Help Me Make It Through the Night“, "Why Me Lord" und „Me and Bobby McGee“ verwandelte Kris Kristofferson die Lyrik in Literatur und erhob sie auf eine Art und Weise, wie es nur wenige zuvor getan hatten, zu einer legitimen amerikanischen Kunstform. Er war teils romantischer Dichter, teils Folk-Troubadour, teils Geschichtenerzähler in der Country-Musik.
Eric Church, der seine Ein-Mann-Show nach Kristoffersons Song „To Beat the Devil“ betitelte, lobte den Songwriter in einem Social-Media-Post als „das ultimative gut gelebte Leben“. „Danke, dass du ein Leuchtfeuer des Lichts in einer sich verdunkelnden Welt warst. Du warst mein Held und mein Vorbild. Und selbst dann hast du es geschafft, meine Erwartungen zu übertreffen, als du mein Freund wurdest.“
„Kris hat mir geholfen, an mich selbst als Songwriter zu glauben, als ich ein Junge war“, teilte Lukas Nelson auf Social Media, zusammen mit einem Foto von Kristofferson, der ihn im Arm hält, als sie sich ‚zum ersten Mal trafen‘, als er ein Baby war. „Abgesehen von meinem Vater war er meine größte Inspiration. Er verkörperte Bescheidenheit und Freundlichkeit und übertrug seine Anmut mit einzigartiger Eloquenz in seine Worte und Musik."

In Janis Joplins bluesig-folkiger Version wurde Kris Kristoffersons „Bobby McGee“ zur Freiheitshymne einer Generation, die bereitwillig mit der Erfahrung des Verlusts kokettiert. Um das Gefühl aushalten zu können, nichts zu verlieren zu haben, bedarf es aber der richtigen Umgebung, die das Versprechen fast vollkommener Freiheit in sich trägt. "Die Straße", der Highway war das Mantra dieser Art von Songschreiberei. Ungebunden sein, weitertreiben, an einer Straßenecke stehen und freundlichen Menschen per Anhalter mitgenommen zu werden, vorübergehend Station machen – auf den Wogen des Ruhms gestandener Größen formierten sich Kris Kristofferson, Johnny Cash, Waylon Jennings und Willie Nelson zu den Highwaymen und tourten zwischen 1985 und 1995 als Veteranen und ein bisschen auch als Überlebende ihre Musikleidenschaft durch die Lande,... eine waschechte Outlaw-Bande der Country Music.

Sein herbes, magnetisches Charisma prädestinierte ihn für die Leinwand (man denke nur an Klassiker wie Convoy oder Heavens Gate), sein Country war Folk im besten Sinne: Kris Kristofferson war Outlaw und Autor zugleich. Und ein Mann, der bis zuletzt Haltung bewahrte.
Er sagte einmal, er wolle die ersten drei Zeilen von Leonard Cohens Bird on the Wire auf seinem Grabstein stehen haben:

Wie ein Vogel auf dem Drahtseil
Wie ein Betrunkener in einem Mitternachtschor
Ich habe auf meine Weise versucht, frei zu sein.

Danke für deine wundervollen, unsterblichen Songs, deine knorrig-charmante Freundlichkeit und deine tiefe Menschlichkeit, Kris... Deine Worte, dein Lachen, deine Liebe, deine Melodien werden vielen Menschen durch die vielleicht dunkelsten Stunden ihres Lebens helfen.
Ruhe in Frieden.... and please.. Help Me Make It Through the Night.

Help Me Make It Through the Night


 

"Man of Constant Sorrow"
 ein unsterblicher Song

Man sollte meinen, dass der „Man Of Constant Sorrow“ nach hundert Jahren irgendwann alt wird. Aber der amerikanische Folk-Standard, der von jedem gecovert wurde, vom jungen Bob Dylan, über Joan Baez, Peter, Paul & Mary, Rod Stewart, bis zur norwegischen Girlgroup Katzenjammer, und der mit seiner geschickten Platzierung im Film O Brother, Where Art Thou? zur Entstehung der modernen Americana-Bewegung beigetragen hat, ist mindestens seit 1913 im kollektiven Gedächtnis der Musikliebhaber. Durch viele verschiedene Melodien, Neufassungen und Umgestaltungen („Girl“, „Soul“ usw.) hat sich „Man Of Constant Sorrow“ geweigert zu sterben.
Es wird spekuliert, dass er aus der Feder von Dick Burnett stammt, einem blinden Fiddler aus Kentucky, aber das lässt sich nicht bestätigen. Burnett, der die Melodie unter dem Namen „Farewell Song“ in einem Liederbuch aus dem Jahr 1913 veröffentlichte, antwortete, als er einst gefragt wurde, ob er ihn tatsächlich geschrieben habe, und sagte: „Ich glaube, ich habe die Ballade von jemandem bekommen... Ich weiß es nicht. Es könnte mein Lied sein.“ Ralph Stanley sah das nicht so. Die Bluegrass-Legende, der den Song gemeinsam mit seiner Band 1951 aufnahm, war der Meinung, dass der Song wahrscheinlich ein oder zweihundert Jahre älter ist als Burnett selbst. „Als ich es zum ersten Mal hörte, war ich ein kleiner Junge“, erinnerte sich Stanley in seiner Autobiografie. „Mein Vater hatte einen Teil des Textes, und ich hörte, wie er ihn sang, und mein Bruder und ich fügten noch ein paar Worte hinzu und brachten ihn so wieder ins Leben zurück. Ich glaube, wenn das nicht passiert wäre, wäre er vielleicht für immer verschollen.“
Und heutzutage kann jeder, der mit dem Oscar-nominierten Film "O Brother Where Art Thou" und seinem mehrfach mit Platin ausgezeichneten Soundtrack vertraut ist, ein oder zwei Strophen mitsingen. T-Bone Burnett, kuratierte die Musik für die gefeierte sepiafarbene Satire der Coen-Brüder und machte den Song The Soggy Bottom Boy zur großen, aufsehenerregenden Nummer. Die von George Clooney, George Nelson und John Turtorro gespielten Darsteller, die zugebenermaßen mehr schlecht als recht singen können, wurden in der Nachproduktion von dem Nashville-Songwriter Harley Allen, dem Bluegrass-Musiker Pat Enright und Dan Tyminksi nachgesungen. Tyminski, den wir eben zusammen mit Alison Kraus an der Fiddle und der Band Union Station gehört haben, ist Gitarren- und Mandolinenspieler dieser großartigen Combo. Seine etwas rauchige, wunderbare Bärenstimme, die von farbig gezuckerten Harmonien der übrigen Bandmitglieder untermalt wird, hat genug Soul, Schärfe und Feuer, um selbst Menschen, die Folk vielleicht nicht so viel abgewinnen könne, aufhorchen zu lassen.  Und in einem Film, sprich: "O Brother Where Art Thou", in dem Ralph Stanley, Gillian Welch und Alison Krauss starke Gesangsleistungen ablieferten, konnte Dan als die Gesangsstimme von George Clooney meiner Meinung nach mehr als mithalten. Außerdem sang er den Song so, als hätte er ihn selbst erlebt, und zwar mit einer solchen Überzeugung, dass er, also der Song, es im Gewand der Soggy Bottom Boys 2002 bis auf Platz 35 der Billboard Hot Country Singles-Charts schaffte.

Link: The Soggy Bottom Boys - I Am a Man of Constant Sorrow:


 I Am a Man Of Constant Sorrow
O Brother - Where Art Thou?
(2000)

 


"The whole world called me Hank..."
Hank Williams spukt immer noch in Nashville herum

In der Country-Musik gibt es so gut wie nichts, was einem einen tieferen Schauer über den Rücken jagt als die letzte Strophe des Songs „The Ride“, geschrieben von Gary Gentry, J. B. Detterline Jr. und gesungen von David Allan Coe. Selbst wenn man den Song schon zig Mal gehört hat, bekommt man eine Gänsehaut und die Haare stellen sich im Nacken auf, wenn der aufstrebende Country-Musiker den Fahrer ausrufen hört: „You don't have to call me 'Mister', Mister... the whole world called me Hank“.
Es ist fast wie eine Geistererscheinung, denn man spürt förmlich die Präsenz von Hank Williams in dem Song. Und das ist vielleicht kein Zufall oder eine Fügung.
1982 hatte der Songwriter Gary Gentry an einem Film mit dem Titel Hank Williams Tribute - The Man and His Music mitgewirkt, der in der Mother Church der Country Music, dem Ryman Auditorium in Nashville, aufgenommen wurde, wo Hank Williams viele Male auftrat, bevor er leider wegen übermäßigen Alkoholkonsums kurzerhand der Opry verwiesen wurde. Manche glauben sogar, dass der Geist von Hank Williams immer noch im Ryman selbst spukt.
Im Laufe der Jahre wurden im Ryman zahlreiche Sichtungen von Hanks Geist gemeldet, darunter auch von einem Angestellten, der glaubte, ihn in einem „weißen Nebel“ materialisieren zu sehen. Als das 135 Jahre alte Gebäude in den 90er Jahren vor seiner Wiedereröffnung renoviert wurde, schwor ein Bauarbeiter ebenfalls, Hank gesehen zu haben. Eine andere Person behauptete, sie habe Hanks Geist in der Gasse zwischen dem Ryman und Tootsie's Orchid Lounge gesehen.
Eine der bekanntesten Geschichten über Hanks Anwesenheit im Ryman ereignete sich eines Abends, als „Whispering“ Bill Anderson hinter der Bühne seine Gitarre spielte und sich auf den Auftritt bei der Saturday Night Opry vorbereitete. Nach Bills Aussage ging kurz nachdem er ein Lieblingslied von Hank auf seiner Gitarre angespielt hatte, alles im Gebäude aus, einschließlich der Lichter, der Tontechnik und sogar der Notausgangsbeleuchtung, die angeblich auf einem Backup-System laufen sollte. Es wurde nie eine Erklärung für diesen Vorfall gefunden, und Anderson beschrieb das Erlebnis als „unheimlich“ und "sehr prägend".
Aber keine dieser Geschichten war die Inspiration für den Song „The Ride“. Laut dem Songwriter Gary Gentry hat er den Geist von Hank Williams höchstselbst gesehen.
Während der Arbeit an dem Hank-Williams-Tributfilm im Jahr 1982, gegen 10 Uhr Abends, trennten sich die Wege von Co-Autor J.B. Detterline und Gary Gentry nach einer Songwriter-Session. Aber Gentry war irgendwie unzufrieden. Er hatte das Gefühl, dass das, was sie bis dahin erreicht hatten, nicht ausreichte, um Hank Williams angemessen zu würdigen. Er wohnte zu jener Zeit in den Country Place Apartments, trank viel und - so seine eigene Aussage - „machte andere Sachen“. An diesem Abend zündete er einige Kerzen an und führte eine Art Redneck-Séance durch, um den Geist von Hank Williams zu beschwören.
„Ich wollte ein Meisterwerk über Hank schreiben“, erinnerte sich Gary im Jahr 2015. „Und ich war wütend und betrunken. Also sagte ich: 'Hank! Warum bist du so wichtig gewesen? Nur weil du jung gestorben bist? Zeig dich! Hilf mir, diesen Song zu schreiben.“ Und tatsächlich erschien nach diesen Worten offenbar kein Geringerer als Hank Williams ohne Hemd auf Gary Gentrys Couch. Der sagte: 'Hank, komm, wir machen eine Spritztour. Ich will über dich schreiben. Ich halte dich für den größten Songwriter und Entertainer, der je gelebt hat.' Tja, und so entstand 'The Ride', um 4 Uhr morgens.“ Daraufhin rief Gary im ersten Licht der Dämmerung J.B. Detterline an, der gerade schlief und die beiden vollendeten den Song gemeinsam. David Allan Coe nahm ihn schließlich auf, und er wurde am 28. Februar 1983 als Single veröffentlicht.
Und ein Riesenhit!

Doch damit ist die Story und das Mysterium rund um "The Ride" noch längst nicht auserzählt.

Als Gary Gentry 1983 von Billboard über "The Ride" interviewt wurde, sagte er: „In diesem Song schlummert eine geheimnisvolle Magie, die mir jedesmal kalte Schauer über den Rücken jagen lässt und mich zu der Überzeugung bringt, dass es einfach so sein sollte.“ Obwohl Gentry in dem Billboard-Artikel nicht erwähnt, dass er Hanks Geist gesehen hat, erwähnt er, dass er beim Schreiben des Songs die Hank-Williams-Biografie zur Hand nahm, um das Datum seines Todes zu überprüfen, und das Buch genau auf der Seite aufgeschlagen hat, auf der dieses Datum geschrieben stand.
Aber das ist immer noch nicht alles. Kurz nachdem David Allan Coe „The Ride“ veröffentlicht hatte, führte Gary Gentry den Song im Grand Ole Opry House für eine Fernsehshow auf. Als er in der großen Payoff-Zeile zu „the whole called me Hank“ kam, fielen nicht nur im Opry House, sondern im gesamten Opryland-Komplex Licht und Strom aus, ähnlich wie es Bill Anderson im Ryman Auditorium ergangen war. Zahlreiche Nachrichtenagenturen berichteten damals über den Vorfall.
Hat Gary Gentry den Song „The Ride“ wirklich gemeinsam mit dem Geist von Hank Williams geschrieben? Hat Hank wirklich dafür gesorgt, dass die Lichter im Ryman und im Opry House ausgingen, als sein Name und sein Andenken beschworen wurden? Unsere Vernunft würde uns zuflüstern „Nein“. Aber in der Country Music geschehen manchmal seltsame Dinge mit dem Herzen und der Wahrnehmung...  und wenn ihr jemals diese Gänsehaut verspürt habt, wenn ihr „The Ride“ hört, dann wisst ihr, dass da etwas vor sich geht, das sich so anfühlt, als wäre nicht es von dieser Welt.

Der Link zu "The Ride" von David Allan Coe:

The Ride -- David Allan Coe


 


Tulsa Time - Don Williams

Kein Country-Künstler hat in den 70er und frühen 80er Jahren so viel Staub in den Charts aufgewirbelt wie Don Williams. Der „Gentle Giant“ befand sich gerade auf dem Höhepunkt dieser unglaublichen Zeitspanne, die ihm 17 Country-Singles auf Platz 1 einbrachte, als er und seine Band 1978 in Tulsa ankamen, um einen geschäftlichen Auftrag seiner Talentagentur in der Stadt zu erledigen. Bevor sie abreisen konnten, zog eine Gewitterfront auf und zwang sie, sich in ihrem Hotel zu verkriechen. Ein Umstand, der bei Williams' Gitarristen Danny Flowers zu einem Anfall von purer Langeweile führte.
„Ich habe in Tulsa eine Menge guter Freunde“, erinnerte sich Flowers in einem Interview mit Tulsa World. „Ich habe über sie nachgedacht und wie meine Erfahrungen dort waren, ein bißchen in Erinnerungen geschwelgt, und einfach angefangen, diesen Song zu schreiben. Ungefähr auf halber Strecke rief ich unseren Bassisten am Ende des Flurs an. Er sagte: 'Neiiin, Mann, ich habe keine Klamotten mehr am Leib, ich liege im Bett und schaue „Rockford“.' Ich sagte: 'OK, aber es wird ein großer Hit werden, und du verpaßt vielleicht das Beste davon!' Er sagte: 'OK, wir sehen uns morgen früh.'“
Bei der Probe am nächsten Tag spielte Flowers seinen neuen Song für die Band. Williams fand sofort Gefallen daran und sagte Flowers, dass er ihn aufnehmen wolle. Aber dazu kam es erst, als eine gewisse britische Rocklegende ins Spiel kam.
Etwa einen Monat, nachdem der Song geschrieben worden war, begleitete Don Williams nämlich Eric Clapton bei einer Show in Nashville, und die Musiker trafen sich nach der Show in Claptons Hotelzimmer zum lockeren Jammen. Der magisches Moment für Danny Flowers als Songwriter war gekommen! Er erinnert sich: „Don, Eric und ich saßen herum und spielten. Don sagte: 'Spiel doch mal diesen netten neuen Song, den du geschrieben hast.' Also tat ich das. Don und ich spielten die Rhythmusgitarre und Eric spielt dazu einen wunderschönen Slide auf einem Dobro. Ich dachte: 'Wow, das klingt ja großartig.'“
Clapton wollte den Song aufnehmen, aber Williams hatte ihn bereits reserviert. Sie einigten sich darauf, dass sie es beide versuchen würden, jeder auf seine ganz eigene Art. Don Williams' Aufnahme konzentriert sich auf den düsteren Groove des Songs und verleiht ihm fast ein Muscle Shoals-Gefühl. Clapton und seine Band, zu der damals mehrere Musiker aus Oklahoma gehörten, stellten die Klavierarbeit von Dick Sims in den Vordergrund.
Beide Männer waren mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Don landete einen weiteren Country-Chart-Hit. Claptons Version erschien 1978 auf seinem Album Backless. Er bot dann 1980 eine Live-Version an, die er als Single veröffentlichte und die sich in die Billboard Top 30 schlich.
„Tulsa Time“ mag sich auf einen bestimmten Ort beziehen, aber der Song funktioniert auch als Metapher dafür, dass manche Leute einfach ein langsameres Tempo der Hast und Unruhe vorziehen, die größere Städte von Natur aus mit sich bringen. Es ist auch eine Warnung, dass das Gras auf der anderen Seite des Zauns nicht immer grüner ist. 

Klickt auf den Link unter diesem Beitrag und lauscht Don Williams mit DEM Signature Song einer kleinen Großstadt irgendwo in Oklahoma...

TULSA TIME

 


Gram Parsons und die Rückkehr des traurigen Engels

Gram Parsons... einer der größten Songwriter seiner Zeit, eine der mysteriösesten Legenden der Musikgeschichte. Obwohl Parsons nie kommerziellen Erfolg hatte, beeinflusste er mit seinem Außenseiter-Ansatz in der Country-Musik alle, von den Rolling Stones bis zu Wilco. Er war Alternative Country, bevor so ein Begriff überhaupt existierte. Ohne Parsons' Vision wäre Uncle Tupelo wahrscheinlich nie entstanden, oder Ryan Adams hätte Heartbreaker nicht aufgenommen. Außerdem zeichnete er die Straßenkarte für Jason Isbells herausragendes Southeastern und viele andere. Die Verschmelzung von Country-Musik und Rock 'n' Roll - von Beck bis Lucinda Williams - begann mit einem Harvard-Abbrecher namens Gram Parsons.
In seinen Memoiren Life schreibt Keith Richards, dass Parsons "mir die Country-Musik beigebracht hat". Parsons erklärte Richards den Unterschied zwischen dem rauen Sound von Bakersfield in Kalifornien und den sanften Ecken und Kanten des Nashville-Sounds. Sie teilten eine ähnliche Einstellung zur Musik, die Richards auch mit John Lennon teilte.
Der 1974 posthum veröffentlichte Song "Return of the Grievous Angel" ist einer der wichtigsten Songs von Parsons, und sein früher Tod sowie die mysteriösen Geschichten um den Diebstahl seines Sarges und seiner Verbrennung im Joshua Tree National Park begründeten und festigten seinen Mythos und sein Vermächtnis.
Ein junger Lyriker namens Tom Brown hatte - mit Parsons im Hinterkopf - Anfang der 70er eine Reihe von Texten geschrieben, und gab sie seinem Idol bei einer Show in Boston.In einem davon geht es um ein Treffen mit dem King (aka Elvis). Der spricht davon, den alten, einengenden Gürtel des sogenannten Bible Belt der Südstaaten abzuschnallen und sich auf den Weg zu den verlockenden, glitzernden Lichtern einer Wüstenstadt zu machen, womit natürlich nur Las Vegas gemeint sein kann. Gram Parson adaptierte und erweiterte den Text für seinen Song "Return of the Grievous Angel". Obwohl Parsons musikalische Handschrift klar erkennbar ist, hat sie dennoch etwas Unberechenbares an sich, das die Poesie in einen psychedelischen Honky-Tonk über das Unterwegssein auf der Straße verwandelt. "Return of the Grievous Angel" ist die Geschichte eines Truckers über das Sich-Selbst-Finden, über Bestimmung.. und die Erkenntnis, dass sämtliche Wege im Leben im Grunde nur ein einziges Ziel kennen: die Liebe seines Lebens. Parsons war viel gereist und getourt, und die Vergänglichkeit, die seine kleinen Straßenmeditation prägt, passt zu seinem kurzen, intensiven Leben.


 


Filmmusik - von 12 Uhr Mittags bis Rawhide

Als die Herren Dimitri Tiomkin und Ned Washington Ende der 50er Jahre ein kleines, knapp zweiminütiges Liedchen als Titelsong für die CBS-Fernsehserie Rawhide schrieben, die von 1959 bis 1966 lief, ahnten die beiden noch nicht, welche legendäre Fuß- bzw. HUFnote sie damit in den Annalen der Musikgeschichte hinterlassen sollten. Die Serie RAWHIDE begründete unter anderem die Karriere von Clint Eastwood, der zusammen mit Eric Fleming die Rolle eines Cowboys auf einem Viehtrieb spielte. Da die Serie ein Westernthema hatte, wurden der Komponist Tiomkin und der Texter Washington gebeten, einen Song beizusteuern, da sie das bereits für einige berühmte Westernfilme, darunter High Noon und Wild Is The Wind mit großem Erfolg gemacht hatten
(man denke nur an den berühmten Tex-Ritter-Song...  "Do not forsake me oh my darling...").


Der Song "Rawhide" simuliert dabei die Geräusche eines Viehtriebs, wenn der Rinderzüchter Anweisungen ruft, die Herde antreibt und mit der Peitsche knallt. Die titelgebende Roh-Haut ist eine Tierhaut, die nicht behandelt und zu Leder verarbeitet wurde - sie wird üblicherweise zur Herstellung von Peitschen verwendet... auch heute noch. Der Song machte übrigens auch die Phrase "hell bent for leather" populär, die die britische Heavy-Metal-Band Judas Priest als Titel für ihr Album von 1978 und dessen Titelsong verwendete. Also... kleiner Song, große Wirkung!

Hier geht es zu den Youtube Links der Songs

DO NOT FORSAKE ME OH MY DARLING

RAWHIDE

 


Vince Gill - Go Rest High on that Mountain

In der Country Music kommt es nicht so häufig vor, dass ein überaus bekannter Song von einem Künstler im Alleingang geschrieben wurde, obwohl es sich dabei oft um die persönlichsten und emotionalsten Stücke handelt. Nun, der einzige Song auf Vince Gills Album "When Love Finds You" von 1995, das der Sänger ganz allein geschrieben hat heißt: "Go Rest High On That Mountain", und ja... er gehört zu seinen bewegendsten, persönlichsten Schöpfungen. Vince begann mit dem Schreiben von "Go Rest High On That Mountain" nach dem Tod des Country-Sängers Keith Whitley im Jahr 1989, ein Lied, das für viele zum Standard bei Beerdigungen und Gedenkfeiern geworden ist. Die letzte Zeile der ersten Strophe enthält als Hommage an seinen guten Freund den Titel von Whitleys größtem Hit, "I'm No Stranger to the Rain".
Gill beendete den Song dann einige Jahre später nach dem Tod seines älteren Bruders Bob im Jahr 1993, ein Ereignis, das Vince sehr schwer traf.
Zunächst weigerte sich Vince, den Song offiziell aufzunehmen. Er war einfach zu persönlich. Aber sein Produzent Tony Brown überredete ihn schließlich doch dazu, indem er sagte: Vince, weißt du... wenn Menschen am meisten leiden, in der schlimmsten Lage sind, in der sie sich befinden können, dann werden sie danach greifen. Zu diesem Song. Sie werden ihn hören, weil sie ihn brauchen. Und das bedeutet mir viel mehr, als eine Platzierung in den Charts.
Tony Brown, der wegen seines unglaublichen Erfolgs als Produzent manchmal auch "The King of Nashville" genannt wird, glaubte an die Kraft des Songs. Er wäre zwar vielleicht nur in einem zufälligen Moment entstanden, aber vielleicht gerade deswegen würde er seine tiefe Wirkung entfalten. Nachdem sie den Song geschnitten hatten, schlug Vince vor, dass Patty Loveless und Ricky Skaggs im Background darauf singen sollten. Ricky Skaggs war ursprünglich als Teenager bekannt geworden, als er mit Keith Whitley in Dr. Ralph Stanleys Band Bluegrass spielte. Beide, Patty und Ricky, sagten sehr gern zu und sind somit auf dem finalen Song zu hören. Es wurde einer der Songs von Vince, den die Menschen am meisten in ihr Herz schlossen.
Unvergessen bleibt der Auftritt von ihm und Patty Loveless auf der Beerdigung von Countrylegende George Jones, mit dem Vince eine sehr tiefe Freundschaft verband. Ein unglaublich bewegender Auftritt, bei dem Vince mitten im Song auf einmal von seinen Gefühlen übermannt den Gesang abbrechen muss und Patty sofort auf ihre unvergleichlich rührende Art für ihn übernimmt... und dadurch wahre Größe beweist.
"Go Rest High on That Mountain" wurde bei den CMA Awards 1996 zum Song des Jahres gekürt und gewann zwei Grammy Awards, darunter für den besten Country-Song. Aber das Wichtigste ist und bleibt, dass genau da eingetreten ist, was Tony Brown bei den Aufnahmen des Songs vorausgesagt hat.... die Menschen greifen immer wieder nach ihm, brauchen ihn und lassen ihn in sich hinein, weil er ihnen in schweren Zeiten ein wenig von der Last der Trauer vom Herzen nimmt.

Hier geht es zu den Youtube Link des Songs


GO REST HIGH ON THAT MOUNTAIN

 


Johnny Cash - I Walk the Line

Wir schreiben das Jahr 1956. Die Band von Johnny Cash heißt "Tennessee Two". Die Two, das sind Luther Perkins und Marshall Grant – und die beiden Musiker spielen Gitarre und Bass. Kein Schlagzeug. Und Johnny ist unzufrieden. Sein neues Lied klingt irgendwie lahm. Da zieht er einen Dollarschein aus der Tasche und klemmt ihn zwischen die Gitarrensaiten. Das macht einen guten Rhythmus! Und einen unverwechselbaren Sound. Und mit diesem Rhythmus beginnt das Lied, das Johnny Cash berühmt gemacht hat.
"I Walk the Line" – "Ich gehe die Linie entlang", kann man die Zeile sinngemäß übersetzen. Dabei geht es aber nicht um die polizeiliche Feststellung, ob ein Autofahrer alkoholisiert ist oder nicht. "I walk the line" heißt: ich bleibe in der Spur – ich halte die Augen offen – ich benehme mich anständig.
Johnny Cash hatte in seinem Leben große Probleme in der Spur zu bleiben. Bevor er auf Tour ging, versprach er seiner ersten Frau Vivian: Ich werde keinen Alkohol trinken und ich werde mich von den Damen fernhalten. "Ich bleib anständig – I walk the line". Aber das Versprechen darin hat er nicht gehalten. Auf Tour zu sein hieß für ihn: Konzerte, Alkohol, Partys und Frauen. Johnny Cash konnte keinem Angebot widerstehen.
1967 verließ Johnny seine Familie und heiratete später die Sängerin June Carter. Erst bei ihr kam er zur Ruhe und blieb dann auch irgendwann endgültig in der Spur. Und "I Walk the Line" sollte eines seiner größten und unvergesslichsten Songs werden... ein Meilenstein der Countrymusik.
Aber nur echt mit dem Dollarschein zwischen den Gitarrensaiten!

 


Glen Campell - Rhinestone Cowboy

Glen Campbell bezeichnete "Rhinestone Cowboy", die Geschichte eines Jungen vom Lande, der versucht, in der Großstadt Fuß zu fassen, als seinen "Philosophie-Song". Es war die meistverkaufte Single seiner Plattenkarriere und stellte seine anderen Klassiker wie "By The Time I Get To Phoenix" von 1968 und "Wichita Lineman" und "Galveston" von 1969 weit in den Schatten.
"Rhinestone Cowboy" wurde von Larry Weiss geschrieben, einem Songwriter aus Los Angeles, der 1971 aus New York weggezogen war. Weiss war ein ehemaliger Broadway-Darsteller, und der Song wurde im Geiste von ihm und Freunden wie Neil Diamond und Tony Orlando komponiert, die im Big Apple erfolgreich wurden. Er verband die Hoffnung und Frustration auf dem Weg zum Ruhm mit dem Bild eines "Rhinestone Cowboys", zwei Worte, die Larry einmal in einem Gespräch gehört hatte. Er stellte fest, dass "Rhinestone Cowboy" ein möglicher Titel für einen Hit sein könnte, und er verwebte seine Komposition um die Zusammenfassung aller Cowboy-Filmhelden seiner Kindheit, insbesondere Hopalong Cassidy.
Weiss nahm "Rhinestone Cowboy" für sein eigenes "Black and Blue Suite"-Album für 20th Century Records auf, da er sich einen Erfolg als Plattenkünstler erhoffte. Stattdessen wurde der Titel nur sporadisch im Radio gespielt. Glücklicherweise erreichte eines dieser "Stücke" die Ohren von Glen Campbell. Glen hörte Larrys Version von "Rhinestone Cowboy" auf KNX Radio in Los Angeles und erwarb eine Kopie des Songs, um ihn auf seine Australien-Tournee 74 mitzunehmen. Um die Zeit zwischen den Auftritten zu überbrücken, fuhr Campbell durch das Outback zwischen Sydney und Brisbane, schaute sich die einzigartige Landschaft an und hörte "Rhinestone Cowboy" auf dem Kassettenspieler seines Autos.
Als Campbell aus Australien zurückkehrte und bei Capitol Records vorbeischaute, sagte Al Coury, der wichtigste Song-Promoter des Labels, zu Glen, dass er einen Song für ihn gefunden habe, der ein Riiiiiesenhit werden könnte. Er begann "Rhinestone Cowboy" zu spielen. Campbell lachte laut und erzählte Coury, dass er den Song bereits entdeckt und auswendig gelernt habe und bereit sei, ihn sofort aufzunehmen.
"Rhinestone Cowboy" schoss am 23. August 1975 auf Platz 1 der Billboard Country-Singles-Charts und hielt sich drei Wochen lang an der Spitze.  Etwa zur gleichen Zeit erreichte der Song die Spitze der Billboard Hot 100 Pop-Charts und hielt sich dort zwei Wochen lang. Bis Ende 1975 verkaufte sich die Platte über zwei Millionen Mal und war damit die meistverkaufte Country-Single des gesamten Jahres in den Billboard-Charts. "Rhinestone Cowboy" wurde von der Academy of Country Music zur Single des Jahres und zum Song des Jahres gekürt und erhielt die Trophäe für den Song des Jahres von der Country Music Association.

 


Kris Kristofferson - Sunday Morning Coming Down

1969 fegte der inzwischen legendäre Songwriter Kris Kristofferson die Böden in den Büros von Columbia Records in Nashville.
Jeder, der Kristoffersons Hintergrund kannte, hätte über seine neue Rolle sehr gewundert. Er war ein Oxford-Absolvent, ein Rhodes-Stipendiat, ein ehemaliger Hauptmann in der Armee und ein Hubschrauberpilot. Trotz seines beeindruckenden Lebenslaufs wollte Kristofferson nichts anderes, als Songwriter zu werden, und er tat alles, um dies zu erreichen. Sein Job als Hausmeister an der Columbia University war ein weiterer Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel. Er sah Bob Dylan bei der Aufnahme von Blonde on Blonde zu, brachte aber nie den Mut auf, ihn anzusprechen. Er traf jedoch ein anderes seiner Idole: Johnny Cash.
Kristofferson beobachtete Cash auf den Fluren und durch die Glasfenster, wenn er Aufnahmen machte. Sie trafen sich ein paar Mal im Vorbeigehen, aber Cash kannte ihn nur als den Burschen, der den Besen durch die Flure schob. Zu diesem Zeitpunkt war Kristofferson bereits ein produktiver Songschreiber. Er wollte Cash unbedingt Kassetten mit seinen Liedern geben, wusste aber, dass er gefeuert werden würde, wenn seine Arbeitgeber ihn dabei erwischten. Also versuchte er einen anderen Weg.
Er freundete sich mit Johnnys Frau, June Carter, an. June mochte Kristofferson und schmuggelte oft Demokassetten mit seinen Liedern in ihre Handtasche, um sie Johnny mit nach Hause zu bringen. Nachts spielte sie ihm die Bänder in ihrem Schlafzimmer oberhalb des Old Hickory Lake in Tennessee vor... ohne jedoch sein Interesse wirklich zu wecken.
Zu dieser Zeit lebte Kristofferson mit einem schmalen Budget in einer heruntergekommenen Wohnung in Nashville. Seine Eltern waren wütend darüber, dass er diesen Weg eingeschlagen hatte, und verleugneten ihn schließlich, um die Beziehung zu ihm nie wieder zu kitten. Man kann sich vorstellen, wie einsam er sich zu diesem Zeitpunkt gefühlt haben muss. Er lief durch die Straßen von Nashville, jung und pleite, dachte über das Leben nach und beobachtete die Welt um ihn herum. Was sollte er machen? Wohin sollte das alles führen? Wie passte er in diesen Ort, von dem er so verzweifelt versuchte, ein Teil zu sein? Diese Fragen und Erfahrungen bildeten die Grundlage für "Sunday Morning Coming Down".
Er spürte sofort, dass dies ein toller Song war, und so griff er zu einer drastischeren Methode, ihn seinem Idol zukommen zu lassen.
Zu dieser Zeit arbeitete Kristofferson nebenbei als Hubschrauberpilot bei der Army Reserve. Bei einem Routine-Trainingsflug kam er (natürlich ganz zufällig ;) ) von seinem Kurs ab und steuerte Cashs Haus am Old Hickory Lake an. Nachdem er mit dem Hubschrauber auf Cashs Rasen gelandet war, ging er mit großen Schritten auf das Haus zu. Cash sagte, er habe die Landung des Hubschraubers gehört, sei hinausgegangen und erblickte einen jungen Kerl, der mit schnellen Schritten auf ihn zukam. Mit einer Kassette in der Hand. Cash blieb verblüfft stehen. Kris ergriff seine Hand, legte die Kassette hinein, grinste, stieg wieder in den Hubschrauber und war kurze Zeit später erneut über den Wolken verschwunden. Cash blickte auf die Kassette in seiner Hand. Sie war mit "Sunday Morning Coming Down" und "Me And Bobby McGee" betitelt.
Dieser Lausbubenstreich reichte aus, um endgültig Cashs Aufmerksamkeit zu erregen. Am folgenden Donnerstag zeichnete der Man in Black seine wöchentliche Fernsehsendung "The Johnny Cash Show" im ehrwürdigen Ryman Auditorium auf. "Hier ist ein Lied, das von Kris Kristofferson geschrieben wurde", sagte er zu den Zuschauern im Fernsehen. "Vergessen Sie diesen Namen nicht." Und dann begann er zu spielen.
Die Live-Aufnahme des Songs sollte bald darauf für 2 Wochen die Nummer 1 der Country Charts werden. Tja, und der Rest ist Geschichte. (Country-) Musikgeschichte.